Straßenkinderprojekt Cedeinfa in San Salvador

Die Kinder und ihre Mutter freuen sich
über die Geschenke aus Deutschland

Im Juni 2019 hatte ich die einmalige Gelegenheit, das Straßenkinderprojekt Cedeinfa in San Salvador zu besuchen. Cedeinfa wird seit acht Jahren von der Kinderhilfe International unterstützt, seit 2017 verantworten wir den deutschlandweiten Spendeneingang. Anlass meines Besuchs war das 15jährige Jubiläum von Cedeinfa, das gleichzeitig mit der Einweihung der ‚Casa Debora‘ gefeiert wurde. Die Casa Debora ist mittlerweile das sechste Haus, das von Cedeinfa betrieben wird. In der Casa Debora finden alleinerziehende, obdachlose Mütter, die im Teeniealter sind, gemeinsam mit ihren Kleinkindern nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern eine ganzheitliche, familiär organisierte Hilfe. 

Nach einer über sechzehnstündigen Flugreise landete ich am Samstag, den 15. Juni 2019 abends in San Salvador. Dort wurde ich von Daysi und Daniel Menjivar abgeholt und direkt in die Casa Emmanuel gebracht, das Haus, in dem die Arbeit von Cedeinfa vor 15 Jahren begonnen hat. Dort erwartete mich ein sauberes, aber spartanisch eingerichtetes Zimmer. Mit einem riesigen Schlafdefizit und völlig überwältigt von Klima und Atmosphäre dieses mittelamerikanischen Landes sank ich direkt in mein Bett und schlief bis zum nächsten Morgen durch! 

Das Gelände der Casa Debora im Grünen – 
alles ist durch Spenden finanziert und renoviert worden.

El Salvador ist ein wunderschönes Land mit tropischem Klima, riesigen Wäldern und Vulkanen, es gilt allerdings auch als das gefährlichste Land der Welt mit einer unfassbar hohen Mordrate. Obwohl ich mich selbst zu keinem Zeitpunkt unsicher oder gar bedroht gefühlt habe, konnte man überall sehen, wie schwierig die allgemeine Sicherheitslage ist. Alle Häuser sind vergittert und oft genug hinter hohen Zäunen gelegen; kleine Läden für den täglichen Bedarf sind ebenfalls vergittert, meistens kann man diese gar nicht betreten, sondern bekommt das Gewünschte durch die Gitter durchgereicht. Restaurants, Supermärkte und Malls, die es hier natürlich auch gibt, werden fast immer von schwer bewaffnetem Sicherheitspersonal bewacht. An meinem ersten Tag, einem Sonntag, besuchten wir einen Gottesdienst in der hiesigen Baptistengemeinde und fuhren dann in den nördlichen Teil des Landes, an die Grenze zu Honduras, um dort die Familie Menjivar zu besuchen. Ich war außerordentlich erleichtert, dass ich noch einen Tag zum Akklimatisieren hatte, die Umstellung auf das feucht-heiße Tropenklima während der Regenzeit sowie der Jetlag machten mir durchaus zu schaffen. Als es dann an den folgenden Tagen direkt in die Slums ging, um die Arbeit von Cedeinfa kennenzulernen, hatte ich mich zum Glück an Temperaturen und auch an die ständige Geräuschkulisse und die schieren Menschenmassen gewöhnt. In dieser Woche besuchte ich zwei Elendsviertel in San Salvador, in denen Cedeinfa kleine Schulen betreibt. Ich nahm an einer Unterrichtsstunde teil und war erstaunt über die hohe Qualität des Unterrichts. Immer zwei bis drei Lehrerinnen betreuen eine Klasse, die allerdings von vier bis vierzehnjährigen Kindern und Jugendlichen reicht. Ich durfte mit freiwilligen Helfern in die Slums hineingehen und Familien besuchen, die von Cedeinfa betreut werden. Während das eine Quartier immerhin am Stadtrand im Grünen lag, so dass jede Familie um ihre armselige Hütte herum etwas Platz und Grünflächen hatte, sah es im anderen Slum, der mitten in der Stadt liegt, viel schlimmer aus! Ca 400 Menschen hausen dort aufs Engste zusammengepfercht in kleinen Zimmerchen und Hütten, die Wege zwischen den Wellblechhütten sind schmal und unbefestigt, die Abwässer laufen einfach so zwischen den Hütten die Straße entlang. Der Gestank bei schwülen 34°C war schrecklich! Auch dort konnte ich eine kleine Schule besichtigen, die eine Oase der Ruhe und Sauberkeit an diesem schmutzigen und lauten Ort war, ausgestattet mit allem, was es braucht, um Kindern eine gute Lernatmosphäre zu ermöglichen. Auch die ‚Arztpraxis‘ mit angeschlossener ‚Apotheke‘ konnte ich besichtigen: eine kleine Wohnung mit einem Wartezimmer, zwei kleinen Sprechzimmern sowie einem kleinen Raum, in dem die Medikamente gelagert werden. Wie auch in der Schule, ist die gesamte Ausstattung gespendet.

Einen besonders schönen Moment erlebte ich, als ich zwei Kindern und ihren Müttern kleine Geburtstagsgeschenke und Geld aus Deutschland überreichen durfte. Vor meinem Abflug nach San Salvador, hatten mir zwei Unterstützer aus dem Rhein-Neckar-Raum Geld für ihre Patenkinder mitgegeben sowie Kleidung, Malstifte und Malbücher. Die Freude der Kinder und ihrer Mütter war riesig, als sie die schön verpackten Päckchen auspacken durften! Diese Augenblicke haben mich immer wieder besonders berührt, wenn ich sehen konnte, wie das Geld, das wir in Deutschland für die Kinder sammeln, direkt vor Ort einen solchen Segen bewirken. 

Ich konnte auch eine Lehrwerkstatt besichtigen, in der junge Menschen das Schreinerhandwerk lernen. Sämtliche Schränke, die ich in den Klassenzimmern und auch in der Casa Debora gesehen habe, waren in dieser Schreinerei gebaut worden! 

Essensausgabe im strömenden Regen.

Am Freitag Abend konnte ich bei einem Straßeneinsatz in San Salvador dabei sein. Ein Team aus den USA, das mittwochs angekommen war, hatte dafür das Essen gekocht. Gegen 18.30 Uhr trafen wir uns für eine letzte Einsatzbesprechung in der Zentrale von Cedeinfa, dann fuhren wir mit mehreren Pick-ups in ein Viertel von San Salvador, in dem Cedeinfa jede Woche ca 100 Menschen mit Essen versorgt. Vor Ort bauten wir alles auf, was für die Essensausgabe nötig ist, inklusive jede Menge Regenschirme, da es abends anfing zu regnen. In der Zwischenzeit strömten die Menschen nur so zusammen, der ganze Gehweg war überfüllt. Nach einer kurzen Begrüßung durch Daniel bildete die Menschenmenge drei Gruppen – Frauen, Kinder und Männer – und die Essensausgabe ging los! Dank des Teams von Pastor Jeff aus Ohio war mehr als genug da, wer wollte, bekam auch eine zweite Portion Nudelpfanne mit Fleisch und Gemüse, dazu Brötchen und eine Flasche Wasser. Während die geduldig wartende Menge versorgt wurde, mischte ich mich mit anderen Teammitgliedern unter die Leute und versuchte, mit Hilfe eines Dolmetschers ins Gespräch zu kommen. Ich unterhielt mich unter anderem mit einem älteren Herrn – Daniel erzählte mir, dass er treu jeden Freitag zum Essen erscheine – über die Politik von Angela Merkel! Mit einer jungen Mutter konnte ich über ihre Kinder sprechen, und eine andere Mutter berichtete mir von ihrem Leben auf der Straße, das mit fünf Kindern zwischen 14 Monaten und 15 Jahren mehr als schwierig ist. Aber dank Cedeinfa lebt diese Frau inzwischen nicht mehr unter Plastikplanen an einer Straßenecke, sondern in einer stabilen, trockenen Hütte aus Steinen mit Wellblechdach. Für uns immer noch Zeichen einer unvorstellbaren Armut, für die Menschen vor Ort ein unglaublicher Sprung ins ‚normale’ Leben.

Gegen 21 Uhr packten wir unsere Sachen und leeren Pfannen und Töpfe wieder ein und fahren im Regen nach Hause zurück. Am Samstag morgen fand dann die langersehnte Einweihung der Casa Debora statt, die gemeinsam mit dem 15jährigen Jubiläum von Cedeinfa begangen wurde. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als ich das Gelände besichtigen konnte, das inzwischen die Heimat für 20 junge Mütter mit ihren Kleinkindern ist. Am Stadtrand gelegen, auf einem sehr schönen, ruhigen Grundstück mit verschiedenen Obstbäumen – Mangobäume, Bananenstauden, Avocadobäume – bekommen die ehemals obdachlosen Teenager eine Unterkunft in familienähnlichen Strukturen, ein Kindergarten für die Kleinen ist da, eine medizinische Betreuung durch eine Kinderärztin sowie eine psychologische Beratung für die jungen Mütter. 

Es ist einfach großartig zu sehen, wie viele Menschen gemeinsam mitgeholfen haben, um den ärmsten der Armen wieder Hoffnung auf ein lebenswertes Leben zu geben. Ein Höhepunkt dieses Festtages war sicherlich das abendliche Dinner, das von einem ehemaligen Straßenjungen gekocht wurde, der es geschafft hatte, eine Ausbildung zum Koch zu machen! Erfolgreich, wie wir alle bestätigen konnten! Randvoll mit Eindrücken und Erinnerungen bestieg ich am nächsten Morgen den Flieger, um wieder zurück in meine sichere, saubere Heimat zu fliegen, fest entschlossen, nicht zum letzten Mal in San Salvador gewesen zu sein!

Annette Mandel